Privatkonkurs

Land der (Schulden-)Berge?

9.076 Österreicher haben im vergangenen Jahr kundgetan, dass sie sich nicht mehr in der Lage sehen, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Exakt so viele Privatkonkursverfahren wurden nämlich 2009 eröffnet. Das bedeutet eine Steigerung gegenüber 2008 um satte 7% – bei Anziehen der Konjunktur und wieder besseren Aussichten auf dem Arbeitsmarkt erwartet man noch einmal eine kräftige Steigerung. Gerade bei Privatkonkursen ist nämlich entscheidend, dass der Schuldner tatsächlich auch in der Lage ist, über einen längeren Zeitraum hinweg auch regelmäßige Zahlungen leisten zu können. Für viele ist aber in der schlechten Wirtschaftslage nicht einmal das mehr möglich. Die Zahl derjenigen Österreicher, die definitiv pleite sind, ist also mit Sicherheit noch um ein Vielfaches höher anzusetzen.

Die Ursachen für Überschuldung und später Zahlungsunfähigkeit sind vielfältig – und treten im Einzelfall nicht selten zusammen auf: Scheidungen mit hohen Alimentationsverpflichtungen, Verlust des Arbeitsplatzes oder hohe Schulden durch den Bau eines Eigenheimes sind die häufigsten Ursachen – aber bei Weitem nicht die Einzigen. Einen weiteren Grund ahnden Schuldnerberater im relativ sorglosen Umgang mit Geld und Zahlungsverpflichtungen und mit einem sehr unreflektierten weitgehenden Überschätzen der eigenen finanziellen Möglichkeiten. Man orientiert sich in weiten Kreisen nicht am eigenen Budget, sondern hauptsächlich an dem, was man „haben sollte, haben möchte, und unbedingt haben muss“, wie es ein Schuldnerberater treffend formuliert. Verzicht und vernünftige Selbstbeschränkung gehören einfach nicht zu den Kardinaltugenden heutzutage – in vielen Fällen herrscht auch in Bezug auf Konsum ein massiver Gesellschaftszwang mit Ausgrenzungsdruck. Das treibt viele – gerade jüngere – Menschen in eine Schuldenfalle, aus der es kaum ein Entrinnen gibt. „Viele wissen dabei nicht einmal, wo ihre eigenen Bedürfnisse wirklich liegen.“

Bei einer so hohen Zahl von praktisch zahlungsunfähigen Menschen drängt sich natürlich auch die Frage auf, ob das nicht in diesem Maße dann auch Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. Und tatsächlich gehören Zahlungsausfälle nicht selten zu den Hauptgründen für Firmenpleiten – gerade bei mittleren und kleineren Unternehmen, und vor allem im Dienstleistungsbereich, aber auch im Handel.

Hier dreht sich eine Spirale, der es (auch gesellschaftlich) entgegenzuwirken gilt. Bedürfnisse zu wecken und zu nähren, deren Erfüllung sich viele Menschen dann aber in Wirklichkeit nicht leisten können, ist die eine Seite – der Zwang der Menschen, sich diese Dinge aber unter Androhung des sozialen Bannfluchs aber leisten zu müssen, die wesentlich problematischere.

In den Schuldnerberatungsstellen wird auch viel auf Aufklärung und Prävention gesetzt, besonders in den letzten Jahren – einen wirklichen gesellschaftlichen Umbruch kann man aber nicht verzeichnen. Um ehrlich zu sein, nicht einmal Ansätze davon. Gerade jüngeren Menschen muss ein Wertbild jenseits der Konsumzwang- und Trendkultur vermittelt werden, und das Bewusstsein geschärft werden. Ansonsten müssen wir in unserer vielgeliebten Bundeshymne bald wohl doch noch die Zeile „Land der Schulden“ hinzufügen.

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