Fehl-Einschätzung – oder doch nur einfach vorsichtig? Bei der Bewertung von Bonität und der Kreditwürdigkeit liegen die Auffassungen von Kunden und Banken nicht selten weit auseinander.
Wenn ein dringend benötigter Kredit von der Bank nicht genehmigt wird, erzeugt das erst einmal Unmut – eine natürliche Reaktion. Den Unmut bekommt natürlich als Erstes einmal die Bank zu spüren, auch das ist natürlich. Erst an zweiter Stelle macht man sich dann einmal über die Ablehnung Gedanken. Hier ist allerdings selten etwas so einfach, wie es scheint.
Gerade in den letzten zwei Jahren hört man von nahezu allen Seiten, wie schwierig es geworden sei, einen Kredit zu bekommen. Unternehmer sprechen bereits sogar von einer „Kreditklemme“. Vollkommen überzogene Sicherheiten würden gefordert, und die Bewertung der Kreditwürdigkeit hätte in manchen Fällen schon surrealistische Züge.
Die Zahlen scheinen dieser Auffassung durchaus recht zu geben – allein von 2008 auf 2009 sank die Zahl der vergebenen Kredite bereits um gut 11%, im Jahr darauf wurde diese Marke noch übertroffen. Die Frage, die sich stellt, ist die nach dem Grund: Ist es seit 2008 um die Bonität der Kunden um so vieles schlechter bestellt, oder traten die Banken auf die Bremse? Wohl beides ein wenig.
Die Wirtschaftskrise hat natürlich ihre Spuren hinterlassen, besonders im Bereich der Unternehmen. Durch die prekäre Wirtschaftslage sanken auch die Marktchancen und die Umsatzrenditen der Unternehmen – und damit sinkt immer auch die Schätzung in Bezug auf die zukünftige Zahlungsfähigkeit von Unternehmen. Was dann natürlich zwangsläufig zu einer schlechteren Bonitätsbewertung führt.
Im Bereich der Privatkunden ist der Rückgang der Zahl der vergebenen Kredite ebenfalls signifikant gewesen – allerdings kann man hier, abgesehen von der vielleicht schwierigeren Arbeitsmarktlage – kaum die Wirtschaftskrise verantwortlich machen. Hier kommt wohl eher zum Tragen, dass die Banken in den letzten Jahren verstärkt auf Risiko-Minimierung gesetzt haben, um die schweren Zeiten selbst ohne größere Schäden überstehen zu können.
Nicht zu vergessen sind allerdings auch in ganz Europa die Auswirkungen der als europaweit verbindlich beschlossenen Bankenrichtlinien. Mit Basel II sind die Richtlinien für die Kreditvergabe massiv verschärft worden, und die Umsetzung der Richtlinie zeigt natürlich – zumindest wenn man die Gesamtzahl der vergebenen Kredite betrachtet – ihre Wirkung.
Man darf allerdings nicht vergessen, dass gerade im Einzelfall noch vieles andere mit zum Tragen kommt, wenn es um die Entscheidung der Kreditvergabe geht. Diese Entscheidungen sind immer noch zu einem guten Teil Entscheidungen, die von Menschen getroffen werden – und oft gelingt es, durch eine überzeugende Präsentation der Fakten oder durch ein gutes Verhältnis zur Bank, die Entscheidung über den Kredit doch noch zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Banker sind naturgemäß vorsichtige Menschen, die eher zu konservativen Einschätzungen neigen – was aber nicht heißt, dass sie nicht durchaus auch begeisterungsfähig sein können. Wie in so vielen Bereichen im Leben gilt auch hier: je überzeugter man seine Sache vertritt, und je besser man sie kommunizieren kann, desto größer sind auch hier die Chancen, Erfolg zu haben.