Illegale Kredit Wucherer in Japan: Die schreckliche Wahrheit

Aus den 20.000 Yen, die er sich leichten Herzens geliehen hatte wurden in etwas mehr als einem Monat mehrere Millionen. An seiner Arbeitsstelle und in der Schule seiner Kinder klingelte unaufhörlich das Telefon. Der erschreckende Bericht eines Mannes, der zum Opfer illegaler Wucherer wurde.

Aus 20.000 wurden mehrere Millionen – Arbeitsplatz verloren – Anrufe in der Schule

Der Mann am anderen Ende der Leitung war höflich und freundlich wie ein Bankbeamter. X1 nahm 20.000 Yen auf und willigte ein, das Geld nach einer Woche mit 50% Zinsen zurückzuzahlen. Die Woche war schnell vorbei und er wusste nicht, woher er das Geld nehmen sollte. Da erhielt er auf seinem Handy einen Anruf von einer ihm unbekannten Nummer. Der Anrufer bot ihm mit den Worten „Haben Sie zufällig Schwierigkeiten, Ihre Schulden zu begleichen?“ seine Hilfe an.
Anstatt sich zu wundern, war X vor allem erleichtert. Als abermals das Rückzahlungsdatum nahte, rief wieder ein anderes Finanzunternehmen an, um ihm einen weiteren Kredit anzubieten. „Ich hatte einfach Angst vor den Geldeintreibern und war daher bereit, zu unvorstellbaren Zinsen immer mehr Geld aufzunehmen.“ Ehe er sich’s versah hatte er bei 29 Firmen Kredite.

Ein Kredit nach dem anderen, aus Angst vor den Geldeintreibern

„Heute zahle ich hier das Geld zurück, morgen…“ Er konnte den ganzen Tag über an nichts als die fälligen Kredite denken und tat auch in der Nacht kein Auge zu. „Wenn du nicht ans Telefon gehst rufen wir deinen Arbeitgeber oder die Schule deiner Kinder an.“ Das Handy klingelte pausenlos. Als mitten im Gespräch sein Akku leer wurde, hatte X Angst, man könnte denken, er habe aufgelegt und rannte zum nächsten Minisupermarkt um ein Ladegerät zu kaufen2. Daraufhin schrie man ihn an, „Wenn du genug Geld hast, um ein Ladegerät zu kaufen, dann überweis‘ es, auch wenn’s nur 1000 Yen sind.“
Der Tonfall der Wucherer war stets höflich, solange X das Geld pünktlich zurückzahlte, schlug bei Zahlungsverzug jedoch ins Gegenteil um. Bei nur einem Tag Verspätung wurde er beschimpft: „Du Abschaum! Wenn du uns morgen 1 Million auf einmal zurückzahlst, warten wir noch einen Tag!“

Im August vor dem O-Bon-Fest, als seine Kredite auf mehrere Millionen Yen angewachsen waren, wandte X sich an einen Rechtsberater, da er gehört hatte, im Falle illegalen Geldeintreibens müsse man keinen Pfennig zahlen.
Nach den O-Bon-Ferien begann wie erwartet in der Firma das Telefon zu klingeln. „Wenn du das Geld nicht zurückzahlst, rufen wir bei deiner Firma an, bis sie bankrott geht.“ Die vier Telefonleitungen der Firma waren ständig belegt, so dass die Telefone abgeschaltet werden mussten. Nach zwei Monaten wurde X entlassen.

Auch vor der Schule seiner zweitältesten Tochter (12) und seines ältesten Sohnes (10) machten die Geldeintreiber nicht halt. Schulleiter und Klassenlehrer erhielten Drohanrufe: „Die Kinder könnten auf dem Schulweg Probleme bekommen. Wir sind Kredithaie, wir schrecken vor nichts zurück. Sag schnell dem Vater Bescheid.“ Zwar hatte ihm der Rechtsberater erklärt, die Wucherer würden sich nie persönlich zeigen. Trotzdem trieb X die Sorge um seine Kinder um: „Wenn ihnen etwas passiert, habe ich als Vater versagt.“ Jeden Tag rief er zuhause an, um zu hören, ob die Kinder von der Schule heim gekommen waren.

Nach fast zwei Monate langer Überzeugungsarbeit durch den Rechtsberater haben die Wucherer ihre Anrufe eingestellt, aber noch immer bekommt X täglich SMS von unbekannten Nummern. „Wahrscheinlich stehe ich auf deren Verteilerliste. Es war leichtsinnig von mir, bei Wucherern Geld zu leihen. Ich möchte nie wieder einen so schlimmen Sommer erleben.“

Ausgefeilte Methoden erschweren die Ermittlung

Wir haben uns bei Ermittlern erkundigt, wie das illegale Kreditgewerbe funktioniert. Die Wucherer verschicken Werbenachrichten an Personen auf einer auf dem Schwarzmarkt erworbenen Namensliste. Auf der Liste finden sich Adressen von Personen, gegen die Kreditsperren vorliegen, weil sie Verbraucherkredite nicht zurückzahlen konnten, oder die Privatinsolvenz angemeldet haben. Wenn telefonische Anfragen eingehen, erfragen die Wucherer Familienzusammensetzung und Kontaktdaten und rufen probeweise zuhause und am Arbeitsplatz an. Zudem überprüfen sie auf dem Stadtplan, ob die Adresse existiert. So vermeiden sie, z.B. mit gefälschten Ausweisen um Kredite geprellt zu werden. Sie lassen sich Krankenkassenkarte, Führerschein und andere Dokumente faxen und verleihen dann kleine Summen von 10.000 bis 30.000 Yen. Für den Fall, dass ein Konto gesperrt wird, unterhalten die Kredithaie jeweils 20 bis 30 Konten gleichzeitig. Diese besorgen sie sich von zahlungsunfähigen Kunden. Um nicht geschnappt zu werden wechseln sie ständig das Konto, auf das die Schuldner überweisen und teilen dieses erst am Tag der Zahlung dem Schuldner mit. „Das Konto liefert selten Hinweise“, erklärt ein Ermittler. Auch die Scham der Opfer erschwert die Ermittlung.

Illegalen Wucherern braucht keiner etwas zurückzuzahlen

Eine der Gruppen, die Opfer von Wucherern beraten, ist der „Verein junges Gras Nara“ (Stadt Nara), für den Rechtsanwälte und Rechtsberater arbeiten. Der Sekretariatsleiter Shunsuke KAWAI (33) sprach mit uns über den richtigen Umgang mit dem Problem.

Opfern erklärt er zuallererst, dass sie nichts zurückzahlen müssen, nicht einmal den Kapitalbetrag selbst. Da das Gewerbe an sich illegal ist, macht es auch keinen Unterschied, ob es um Zinsen oder Tilgung geht. Nachdem der Schuldner eine Bilanz des geliehen Geldes und der bereits erfolgten Rückzahlungen erstellt hat, lässt man ihn bei den Wucherern anrufen, um weitere Zahlungen zu verweigern und das gezahlte Geld zurückzufordern. „Damit der Schuldner versteht, wie gefährlich die Wucherer sind, lassen wir ihn selbst anrufen.“ Während des Gesprächs übernimmt der Rechtsberater den Hörer und verhandelt mit den Wucherern.

Im nächsten Schritt meldet man den Schaden der Polizei und reicht die nötigen Dokumente zur Sperrung der von den Verbrechern genutzten Konten und Handynummern ein. Bei hartnäckigen Geldeintreibern ruft der Rechtsberater immer wieder an.
Laut Herrn Kawai kommen viele Schuldner erst zur Beratungsstelle wenn sie tief in der Klemme stecken. „Je früher desto besser,“ sagt er. Die Beratung ist kostenlos. Die Anmeldegebühr für Vereinsmitglieder beträgt 3000 Yen, der monatliche Vereinsbeitrag 1000 Yen.

Definition: Illegale Wucherer

Personen, die ohne Anmeldung beim Präfekturgouverneur ein Kreditgewerbe betreiben. Meist überschreiten die Zinsen den vom Kapitalanlagegesetz vorgesehenen Maximalsatz. Häufige Formen sind die sogenannte „System-Finanz“, bei der mehrere Anbieter unterschiedlichen Namens den Schuldner untereinander weiterreichen, sowie die „090er-Finanz“, bei der ein Anbieter keinen Ladenlokal besitzt, sondern die Kreditvergabe über das Handy abwickelt.

Die Polizei der Präfektur Nara nahm im Juli letzten Jahres zwei Männer aus Tokyo und Saitama fest, die mit Hilfe einer Namensliste überschuldeten Personen Geld zu rechtswidrigen Zinssätzen geliehen und damit gegen das Kreditgewerbegesetz und gegen das Kapitalanlagegesetz verstoßen hatten.

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