So werden Kredit Schulden in Spanien eingetrieben

Das Geschäft, die Schulden anderer einzutreiben.

40% der spanischen Unternehmen haben die Verwaltung von Schulden in fremde Hände gelegt. 800 Unternehmen arbeiten in diesem wettbewerbsfähigen Sektor, dem allerdings der rechtliche Rahmen fehlt.

Agapito Rodríguez ist Schuldeneintreiber, der 40 Mitarbeiter hat, die im Unternehmen Espand abogados arbeiten. Das Unternehmen entschied sich vor 10 Jahren, diese neue Einkommensquelle zu erkunden. Unter den Unternehmen, die von diesen Firmen ihre Schulden eintreiben lassen, findet man Finanzinstitute, Banken, Telekommunikationsfirmen, Versicherungsanstalten oder Zentren für Schönheitschirurgie. “Derzeit werden 5% bis 10% aller Schulden nicht beglichen. Ein Teil des Erfolges liegt darin, diese rasch zu identifizieren“, meint Lucero, Präsident der Firma Multigestión. Die Krise hat den Verzug weiter erhöht und die Personen oder Unternehmen, die jemand anderem etwas schulden sind vielzähliger geworden. 40% der spanischen Unternehmen haben daher diese unerfreuliche Aufgabe, Schulden einzutreiben, abgegeben, so eine Studie von Crédito y caución. 33% denken daran, dies in Zukunft zu machen, um Personal und Kosten zu sparen.

In diesem florierenden Sektor findet man alles, von Detektiven bis hin zu multinationalen skandinavischen Unternehmen, Call Centers mit hunderten Angestellten. Bei einem Telefongespräch zwischen einem Schuldeneintreiber und einem Schuldner gibt es ein Duell. Der eine versucht, die Konversation so rasch wie möglich zu beenden, der andere kämpft darum, einen Zahlkompromiss zu erreichen. Jeden Tag werden tausende solcher Telefongespräche geführt. Manche Personen legen einfach auf, andere werden wütend, fluchen oder sind von ihren Problemen beängstigt.

Etwa 800 Unternehmen haben sich auf diese Aufgabe spezialisiert. Man weiß die genaue Zahl nicht, da es kein offizielles Register gibt. José María de Gregorio, Direktor der Asociación Nacional de Entidades de Gestión de Cobros (ANGECO), die 50 Firmen umfasst (unter anderem Espand abogados) erklärt, dass der Sektor derzeit versucht, 61.000 Millionen Euro von 105.000 Millionen Krediten zurück zu holen. Die Unternehmen werden nach Art der Schulden (Telefonrechnungen, Kredite, Konsumkredite…) und der Zeit der Nichtzahlung (von einem Monat bis einige Jahre) klassifiziert.

Die Gebote

Wenn ein Unternehmen die Schuldeneintreibung abgeben möchte, können die Inkassounternehmen Gebote abgeben. Die Unternehmen berechnen die Wahrscheinlichkeit einer Zahlung wie folgt: Wenn eine Person nur einen Monat nicht bezahlt hat, rechnet man die Wahrscheinlichkeit der Zahlung auf 80%. Wenn ein Jahr vergangen ist, sinkt die Wahrscheinlichkeit auf 20%.

Ein fiktiver “Boom”

Die Krise, die diesem Sektor sehr viel Arbeit verschafft hat, hat das Leben verkompliziert. Die Konjunkturflaute ist so stark, dass die Wahrscheinlichkeit, Geld zurück zu erhalten, sehr gering ist, so De Gregorio von ANGECO. „Es geht nicht darum, dass die Menschen nicht bezahlen möchten, sie können es einfach nicht.“ Der Hypothekensatz ist für Familien erste Priorität, wenn sie ihre Häuser nicht verlieren möchten.

„Vor einigen Jahren lag die Summe der Schulden, die nie eingetrieben wurden, praktisch bei null; nur 0,05% aufgrund von Fehlern oder Betrug…“ so Alejandro Lucero, Präsident des multinationalen Konzerns Multigestión Iberia in Spanien. Man muss auch beachten, dass viele Immigranten, die Schulden haben, in ihre Länder zurückgekehrt sind und es ist schwierig, sie zu finden.“ Lucero spricht auch über die Probleme, die der Sektor auf langfristig gesehen haben wird, wenn man die derzeitige Limitierung der Wohnkredite in Betracht zieht (die innerhalb eines Jahres geschah).

Schnelligkeit, Druck und Standort

Eine schnelle Reaktion, das Ausmaß des Druckes, der auf den Schuldner ausgeübt wird, und dessen Standort sind die Schlüsselfaktoren beim Schuldeneintreiben. Davon hängen die Erfolge der Unternehmen ab, die auf Provision arbeiten. Was aber auch zu Missbräuchen führt: Das Versenden von Fax an den Arbeitsplatz des Schuldners, Anrufe zu frühester Stunde am Tag oder in der Nacht, Nachrichten an die Nachbarn, die Familie, falsche Drohungen…

In Spanien gibt es keine Norm, die dieses Geschäft reguliert, was den Sektor auf gewisse Art und Weise „wild“ macht. Alles zählt, es sei denn der Schuldner macht eine Anklage. „Wir sind gemeinsam mit Portugal das einzige europäische Land, in dem kein rechtlicher Rahmen für diese Aktivität existiert“, beschwert sich der Sekretär von ANGECO. „In anderen Ländern muss man einen Abschluss vorweisen können, um diese Tätigkeit ausführen zu dürfen, man braucht eine staatliche Genehmigung, muss ein Bankkonto haben, keine negative Vorgeschichte haben und Mitglied einer Berufsgenossenschaft sein…“, sagt Pere Brachfield, Sprecher der Asosiación Española Profesional de Gestores de Cobro und Autor von einer Reihe von Büchern zu diesem Thema. „In Spanien kann jeder ein Unternehmen eröffnen.“

Wenn ein Unternehmen einen neuen Auftrag erhält, wird der Schuldner per Brief, Telefon oder sms kontaktiert. Der erste Brief listet die derzeitigen Schulden auf. Im zweiten Schreiben wird eine Klage beigelegt mit der Drohung, diese beim Gericht einzureichen, sollte kein Kompromiss erzielt werden. Im dritten Schreiben wird der Schuldner über die Konsequenzen informiert, wenn er nicht bezahlt: Pfändung des Lohnes, des Eigentums und Einschreibung in eine Schuldnerliste… Im vierten Brief wird geschrieben, was die Konsequenzen sind, wenn man auf dieser Liste steht: Der Schuldner bekommt keine Kredite mehr, darf keine Kreditkarten mehr haben… In jedem Brief steckt ein bisschen Hoffnung: Sie können das alles vermeiden. Rufen Sie uns an. Bezahlen Sie. Dies ist die Vorgehensweise von Espand abogados.

Ein Schwall von Telefonanrufen

Gleichzeitig mit einem Schwall an SMS werden die Schuldner angerufen, damit man einen Kompromiss erzielen kann. „Heute ist verhandeln wichtiger denn je“, sagt Alejandro Lucero. „Es gibt viele Möglichkeiten: Ratenzahlungen, Rückgabe des Produktes, Bezahlung eines Teils der Schulden… Und wenn es keine Lösung gibt, gehen wir vor Gericht.“

Im vergangenen Jahr arbeitete Espand abogados an 83.000 Verfahren (254 Millionen Euro), verschickte 400.000 Briefe und startete 5.600 Gerichtsverfahren. Nur 6% der Fälle gehen bis vor Gericht. Der Großteil beginnt mit einem Mahnverfahren (rasche, kostenlose Verhandlungen, die bis zu 250.000 Euro gestattet sind), wenn der Schuldner aber die Schulden abstreitet oder nicht zur Verhandlung erscheint, wird das Mahnverfahren zu einem formalen Prozess, der langsam und teuer ist. Die Unternehmen wählen die Fälle sehr gut aus, die vor Gericht gebracht werden: Nur jene, bei denen sie auch einen Erfolg sehen.

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